Es ist an der Zeit aufzurüsten, dachte ich vor gut vier Jahren, nachdem ich mit meiner 250er Ducati im sehr leichten Swanson-Starrrahmen von 1967 in der Vintage-Klasse unserer Krowdrace Flat Track Rennserie nicht wirklich mit den Big-Bikes mithalten konnte. Bei kurzen und engen Speedway-Bahnen ging es noch einigermaßen gut, aber sobald wir auf Langbahnen mit mehr als 500 Meter fuhren, war der Start-Vorsprung ziemlich schnell verpufft. Ein Klassen-Wechsel aus der “True Gold“ in eine jüngere Vintage-Kategorie kam für mich nicht wirklich in Frage. Aber welches Fabrikat böte sich für eine altersgerechte Aufrüstung an? Die Auswahl, und viel mehr noch das Angebot an passenden (und bezahlbaren) Modellen von Indian, Harley, Triumph, Enfield, BSA, Norton und ähnlichen Konsorten ist in diesem Fall leider recht begrenzt. Also hörte ich mich mal bei meinen Sportsfreunden um, ob noch was Passendes in ihren Garagen schlummern würde. Vielleicht eine Harley-Davidson KR 750?
Die Vintage-Klassen beim Krowdrace sind seit Beginn der Rennserie im Jahr 2019 mit sehr tollen und teils original-importierten Flat Track Maschinen aus den Staaten stark besetzt, wie es in Europa wohl keine andere Rennserie zu bieten hat. Einige legendäre Harley WL, WLA, Sportster und verschiedene XR-Ausführungen sind bei uns regelmäßig am Start, wobei die beiden KRs von den Berliner Kollegen Adler und Steinhofer in meinen Augen die Essenz des Flat Track Sports der 50er und 60er Jahre aufs Beste verkörpern. Klangvolle Namen wie Carroll Resweber, Joe Leonard, Ronnie Rall, Bart Markel, Everett Brashear oder George Roeder fuhren der Konkurrenz auf den 750er KRs (als Nachfolger-Modelle der WL/WLA) in der “Class C“ um die Ohren, mit der auch Otto-Normal-Fahrer auf Serienfahrzeugen der Weg zum kriselnden Dirt Track erschwinglich gemacht werden wollte (und Fahrzeugverkäufe der OEMs angekurbelt werden sollten).
Die „R“ennversion des K Modells wurde von 1953-69 gebaut (angeblich weniger als 500 Stück), mit 45.125 Cubic Inch Hubraum – was 739,47 Kubikzentimetern entspricht. Ein 45 Grad V2-Seitenventiler einer KR lieferte ab Werk 48 PS, was findige Tuner angeblich bis zu 57 PS zurechtfrisieren konnten. Die meisten KRs wurden im Starrrahmen verkauft, aber mit zusätzlicher Schwinge und Federbeinen, falls der Track mal nicht so Flat sein sollte. Jedenfalls immer ohne Bremsen. Neben dem Standard „Model K“ gab es noch fast ein Dutzend Derivate für Touring, Gelände und Straßenrennsport mit den K-Kürzeln KK, KH, KHK, KRM, KRTT, KHR, KHRM, KHRTT. Alles K-klar. Dabei kamen dann verschiedene Nockenwellen und Hub-Längen zum Einsatz, je nach Einsatzgebiet und Geldbeutel.
Fotos: Luis Ganssloser, Jan van Endert, Kati Dalek, Hermann Köpf
Als wir 2021 mitten im Corona-Herbst mit 2G-Regel und Schnelltest bei unseren Freunden der Berliner DIY-Werkstatt „Craftwerk“ eine ziemlich rauschende Krowdrace-Saison-Abschlussparty feierten, steckte mir dann einer der Vintage-Spezls, dass er eine 1953er KK verkaufen würde. Auf dem Handy-Foto sah sie erstmal nicht besonders furchteinflößend aus, also kamen wir ins Geschäft. Als Ducati-Nerd musste ich natürlich erstmal ausführlich recherchieren und checken, ob das was da zu sehen war auch für den sportlichen Einsatz zu denken war. Und ob! Das KK-Modell wurde lt. Literatur nur im Jahre 1953 als Performance-Variante mit schärferen Renn-Nockenwellen und optimierten Zylinder-Kanälen für besseren Gemisch-Fluss angeboten. Ein früherer Besitzer der KK aus Philadelphia, den ich dabei ausfindig machen konnte, brachte mir zudem weitere Freude ins Gesicht. Denn wie er beim Wiederaufbau vor 25 Jahren herausfand, muss es sich tatsächlich um einen KK-Motor handeln, der von einem legendären K-Modell Motorenbauer namens ‚Chico‘ mit allerlei Racing-Teilen optimiert worden sein: KR-Rollenstößel-Ventiltrieb mit 2“ Einlass-Ventilen (anstelle 1 3/4“), ‚ported KK heads’ und ontop KR-Zylinderköpfe mit vergrößertem Brennraum sowie steilere Nockenwellen mit längerem Weg – ähnlich einer 55er KHK, die als spätere Sport-Version mit knapp 900 Kubikzentimeter gebaut wurden. Bingo!
In heimischer Garage angekommen, zerlegte ich die Maschine sogleich bis aufs Gerippe und nahm mir als erstes die verschlissenen Kolben zur Brust und bestellte einen neuen Satz Übermaß-Kolben, die ich zusammen mit den beiden Zylindern samt Ventilen zu einem befreundeten Speedway-Motoren-Guru zur Überarbeitung ins Allgäu fuhr. Dass auch die Zylinderköpfe die üblichen Risse um die Bronze-Gewindeeinsätze herum haben, erfuhr ich ebenfalls schon bei der Party in Berlin, also gingen die beiden Flatheads auf Empfehlung Ola S’. zum Schweißer-Papst nach Schweden. Bei Kleinanzeigen fand ich sogleich einen John-Penner-Heckrahmen, der zufälligerweise von einem Spezl hier in München zum Verkauf stand, ‘lucky shot’ sozusagen! Einen 19“ Radsatz mit alten Jawa-Speedway-Naben verkaufte mir ein Berliner Sportsfreund, die kurze 35 Milimeter Ceriani-Nachbau-Gabel staubte ich bei meinem Ragazzi Alessandro A. in Treviso ab. Technische Zeichnungen für neue Lenkkopf-Lagerschalenbuchsen sowie für einen Schnellspanner-Kettenrad-Adapter aus Aluminium waren schnell gezeichnet und an meinen langjährigen Allgäuer Metallurgen-Freund Hans S. mit Bitte um Lohnfertigung geschickt. Aus den Staaten eingeflogene Bates-Fußrasten wurden an den Rahmen angebracht, sowie ein passender Lenker mit Tommaselli-Gasgriff an der Marzocchi-Gabelbrücke montiert. Ein Hamburger Freund stellte mir dankenswerterweise seinen originalen Trackmaster-Tank zur Verfügung, so dass ich wiederum in Italien fünf Repliken aus GfK anfertigen liess (sorry, schon alle ausverkauft!). Auch wenn dieser Tank und die Hoosier-Flat-Track-Reifen (und einige weitere Teile) nicht wirklich ‚period-correct‘ sind, ergibt die Summe diese Einzelteile eine, wie ich finde, sehr stimmige Linie mit durchaus zeitgerechtem Gesamteindruck, verfeinert mit ein paar weißen Farb-Akzenten an Tank, Sitz, Polster und Abgasrohren – à la Joe Messaros’ KRs in den späten 1960er Jahren.
Nachdem das Layout meiner Möchtegern-KR stand, war die Auseinandersetzung mit dem Detail-Teufel dran. Nicht nur um Gewicht zu sparen, wollte ich den schweren Guss-Deckel des Primärantriebs gegen den leichten Blechdeckel tauschen, der nicht nur an KR- sondern auch an späteren XR-Modellen verbaut wurde. Dafür musste wiederum der weit nach außen ragende Kettenritzel-Rückdämpfer weichen, dessen Aufnahme kurzerhand abgedreht und fix mit dem Ritzel verschweißt wurde. Die ausgelutschte Primär-Kette war darüber hinaus schnell ausgetauscht, sowie Kupplung wieder eingesetzt und justiert, damit der Motor zumindest untenrum wieder geschlossen werden konnte (den rechten Deckel hielt ich erstmal unter Verschluss, damit mir die vier Nockenwellen-Räder nicht unnötig entgegenpurzelten). Einziger Wermutstropfen an meinem Rumpfmotor ist die Tatsache, dass bei dem frühen 52er Motorgehäuse das Getriebe auf der Kupplungsseite als Einheit nicht einfach entnommen werden kann, sondern innerhalb des Gehäuse sitzt und bei etwaigem Getriebeschaden leider der ganze Motor zerlegt werden müsste. Ich werde mich mich also in angemessenen Schaltungsvorgängen üben, um dies zu vermeiden!
Nach einigen grantigen Emails und mehr als einem Jahr Wartezeit kamen dann endlich die glücklicherweise perfekt geschweißten und mit neuen Zündkerzen-Buchsen reparierten Flachköpfe aus Schweden zurück. Freudig wurden sogleich neue Dichtungen unter die Zylinder gelegt, Kupfer-Spray auf die abgeplanten Kopf-Flächen zur hitzebeständigen Abdichtung gesprüht und die zahlreichen Schrauben mit angemessenem Drehmoment festgezogen. Den Fairbanks-Morse Magneten schraubte ich in gängiger K-Timing-Ausrichtung inklusive Killschalter-Verbindung fest, auch die weißen Auspuffrohre waren schnell montiert und so bot erstmalig der Anblick des kompletten Motors mit allen neuen Anbauteilen ein wahrlich fesches Bild! Linker Hand erhielt das bildschöne Aggregat einen neuen Mikuni VM-38 Vergaser von Topham aus NRW, inklusive K&N Luftfilter in handgemachter Alu-Abdeckung des niedersächsischen Meisterschweißers Martin K. Frische Öle reingeschüttet und fertig ist die Karre, dachte ich zumindest.
Dann war es endlich so weit und der erste Motorstart konnte gewagt werden! Raus aus der Tiefgaragen-Werkstatt eines Platzmangel-geplagten Stadtbewohners und rauf aufs Firmengelände einer befreundeten Hinterhof-Werkstatt in unmittelbarer Nachbarschaft. Sprit in den Tank (ich fahre übrigens mit synthetischem E-Fuel bei meinen Rennmotorrädern!), ein paar Spritzer Bremsenreiniger in den Vergaser und den Fuß auf den Startermaschinen-Knopf, bis die Spannung in den Haarspitzen angekommen war. Zisch, Peng, Pffft, Stotter, Qualm – nach einigen lautstarken Knallern konnte ich sie schonmal ein paar Sekunden zum Laufen bringen, immerhin. Aber auch nach einigen weiteren Versuchen mit und ohne Luftfilter, Hand an Vergaseröffnung, Bremsenreiniger und zusätzlicher Stoßgebete lief der Motor nicht wirklich. Die Enttäuschung war groß und so packte ich alles wieder unverrichteter Dinge in den Anhänger und fuhr zurück in die kalte Tiefgarage. Das Grübeln begann, Ratschläge wurden aus aller Welt eingeholt.
Es muss der Zündzeitpunkt sein! Denn mechanisch bewegte sich alles korrekt, Sprit floss ausreichend in die Kammer und ein guter Funke war auch vorhanden. Nach Konsultation des norwegischen Flathead-Propheten (und übrigens ziemlich schnellen Krowdrace-Teilnehmers) Gunnar S. verdichtete sich de Vermutung, dass Chico the K-Amigo, wohl keine gewöhnliche KK-Kurbelwelle, sondern irgendwas mit einer Schwungscheibe, mit sagen wir mal ‚alternativer’ Gradzahl-Markierung, verbaute – demnach konnte die vorgenommene Magnet-Positionierung nicht korrekt sein. Zurück auf die Hebebühne, runter mit den Köpfen und hochprofessionelle Anbringung von Messgeräten, bzw. Anbringung hochprofessioneller Messgeräte zum Überprüfen des Kolben-Wegs. Die 7,87 Millimeter Kolbenweg vor OT seien jedenfalls für die verwendeten Nockenwellen viel zu wenig, weswegen ich auf norwegischen Anratens den Magneten auf ca. 10 Millimeter Kolbenweg (was zirka 36 Grad Vorzündung entsprechen sollte) verstelle und alles wieder für einen neuen Startversuch zusammenschraubte.
Rein in den Hänger und rauf auf die Startermaschine. Same procedure as neulich aber nun mit Erfolg! Erst raucht und stinkt und knallt es zu Beginn ordentlich, aber nach ein paar verschluckten Gasstößen läuft der Motor schließlich einigermaßen sauber und mit wenig Rauch aus den Tüten. Was für ein Sound! Und was für ein mechanisches Geruckel der ganzen Maschine! Ich lasse den Motor noch eine Zeitlang Warmlaufen, bevor ich die erste vorsichtige Hinterhof-Runde drehe. Kupplung und Schaltung funktionieren tadellos, zumindest die ersten drei von vier Gängen, da ich das bremslose Sportgerät nichtunbedingt in die Hecke steuern möchte. Zurück in der Ständer-Wippe lasse ich den Motor noch eine Weile weiter laufen – zur Freude eines vorbeikommenden Motorrad-Enthusiasten, der extra aus dem 17. Stock des benachbarten Büro-Komplexes runterkam und wissen wollte, was das wohl für ein ohrenbetäubender Klang ist, ha! Weitere Feinjustierungen des FM-Magnetos bringen keine nennenswerten Verbesserungen, dafür aber eine leichte Verdrehung der Gemisch-Zufuhr-Schraube des Vergasers und so freue ich mich riesig über die erfolgreiche Problemlösung und den ersten Motorlauf der KK!
Am ersten Juni-Wochenende ist es dann endlich so weit und ich kann meine KR-lookalike-KK beim Krowdrace auf der Speedwaybahn in Brokstedt erstmals testen. Bei den ersten verhaltenen Trainingsrunden scheint technisch alles zu funktionieren und so schalte ich nicht nur einen Gang höher. In der ersten Trainingspause wechsle ich von den NGK Racing-Zündkerzen mit langem Gewinde und dünner Elektrode auf die standardmäßig verwendeten Champion H8C, weil die NGK-Kerzen den Motor nach einer Weile ins Stottern brachten und verrußt waren. Ein wenig Vergaser-Optimierung später läuft der Motor noch besser und ohne zu stottern, und dreht vor allem erstaunlich gut hoch! Von Rund zu Runde vertraue ich dem Gefährt immer mehr und ziehe kräftiger am Gasseil. Knapp an der Bande entlang reflektiert der Motorenklang unglaublich satt und bollernd aus den beiden Rohren, dass es eine wahre Freude ist – glücklicherweise steht der Wind recht günstig, so dass die unwissenden Nachbarn nichts zu meckern haben!
Wie es mit Krowdrace und der KK weitergeht, findet Ihr auf www.krowdrace.de
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