Zwei GS-Legenden auf Achse

Mit historischer und moderner G/S auf Tour durch die Alpen.

Auf seiner R 80 G/S Paris Dakar war Daniel mit Freundin Polly gut 10 Monate von Argentinien bis Alaska unterwegs, er kennt das Motorrad wie kein anderer. Zusammen mit einer R nineT Urban G/S ist er auf einer R 80 G/S aus dem BMW Museum nach Monza zum Reunion-Festival unterwegs. Zwei Bikes, wie sie ähnlicher kaum sein könnten – wären da nicht die gut 30 Jahre Entwicklungsunterschied.

Mit einem alten Motorrad zu verreisen, heißt das besondere Abenteuer zu suchen und sich auf jede Menge neue Bekanntschaften einzulassen. Es scheint eine besondere Ausstrahlung zu entwickeln, denn bei jedem Tankstopp zieht es mit magischer Kraft Motorradfreunde an, die das alte Eisen begutachten und ihre eigene Geschichte dazu erzählen wollen. Steht daneben dann noch ein sehr ähnlich wirkendes, aber aktuelles Modell, sind eigentlich keine erklärenden Worte von Nöten. Denn auf den ersten Blick ist klar, dass hier zwei Generationen des gleichen Genres unterwegs sind.

Auf einen Kaffee zu Chris Pfeiffer.
Zum Auftakt des Kurztrips steuern die beiden G/S Legenden auf kurvigen Seitenstraßen zum viermaligen Stuntriding Weltmeister und mehrmaligen Erzberg-Hardenduro-Gewinner Chris Pfeiffer ins Ostallgäu. Die ersten Aufwärm-Kilometer verfliegen wie im Flug, beide Bikes – alt und jung – sind wie für diese Straßen gebaut. In Halblech angekommen, müssen wir nicht mal an der Haustüre klingeln, denn Chris hat den knackigen Sound der Urban G/S schon wahrgenommen und kommt uns entgegen. Sein Sohn Hannes erhält noch eine kleine Geschichtsstunde in Sachen Rallye Paris-Dakar und will auf dem Youngtimer mit dem großen Tank Probesitzen.

Regen, Regen und nochmals Regen.
Nach dem leckeren und unterhaltsamen Einkehrschwung im „Café Pfiff“ fahren wir weiter ins Tiroler Lechtal, erklimmen mit unseren Boxern über den Gaichtpass das Tannheimer (Hoch-)Tal und werfen unsere Regenbekleidung über, die wir bis zum Abend nicht mehr ausziehen werden. Wie aus Eimern schüttet es den ganzen Nachmittag bis ins schweizerische Splügen, wo wir unseren ersten Tag in einem alt-ehrwürdigen Hotel bei lecker Bier und teuer Jause beenden. Bei bestem Motorradwetter erkunden wir am nächsten Morgen die Umgebung des 1.475 Meter hoch gelegenen Örtchens und machen uns auf den Weg über die Passhöhe nach Bella Italia.

Splügen-Spaß und Dolce Vita al Lago
Während der Passüberfahrt fühlt sich Daniel sehr an seinen Amerika-Trip erinnert. 10 Monate lang waren er und Polly auf seiner 35 Jahre alten BMW unterwegs und haben Stärken und Schwächen des Bikes kennengelernt. Lediglich ein neues Öhlins-Federbein hatte er seiner Bella Macchina vor der Reise gegönnt, damit die wertvolle Fracht sicher und bequem befördert werden konnte. Regelmäßige Ölwechsel, allgemeine Wartungsarbeiten und mehrere Reifensätze hat er auf den vielen Kilometern lediglich benötigt, ansonsten sei die R 80 G/S ein extrem zuverlässiger Gefährte gewesen.

Alt versus Neu
Für Daniel ist dieser Kurztrip eine sehr interessante Erfahrung, denn beim Wechsel auf das aktuelle R nineT Urban G/S Modell wird im direkten Vergleich eindrucksvoll klar, was sich in drei Jahrzehnten Fahrzeugbau weiterentwickelt hat. Neben der einprägsamen Farbgestaltung früherer Rallye-Bikes sind zwar weitere Elemente, wie Speichenräder, Teleskopgabel mit Faltenbalge, 2-in1 Auspuffanlage, Scheinwerfermaske mit Windschild und ein hohes vorderes Schutzblech aufgegriffen worden, aber technische Details sind mit dem Ur-Modell aus den Achzigerjahren nicht mehr zu vergleichen. Am eindrucksvollsten werden die Weiterentwicklungen im Fahrverhalten deutlich, lässt man den gut 370 Kubikzentimeter größeren Hubraum und 60 PS mehr an Motorleistung außer Betracht. Während das nur 2.975 Mal gebaute Sondermodell „Paris Dakar“ der R 80 G/S ein weich gefedertes und entspanntes Reisen ermöglicht, ist die Urban G/S in ihrer Direktheit und der straffen Abstimmung ein höchst agiles Spaßmobil.

The Reunion-Cafe-Racer-Festival und Sprint-Races
Nach einer kurzen Mittagspause am Comer See fahren wir weiter in den Königlichen Park Monzas zur legendären Rennstrecke, wo an diesem Wochenende „The Reunion“ – ein Festival für Café-Racer- und Custombike-Fans stattfindet. Auch hier kommen bereits am Parkplatz Kenner auf Daniel zu, begutachten seine Bella Macchina und plaudern über ihre Erfahrungen mit ähnlichen Modellen. Einigen davon ist er sogar über sein Instagram-Profil „Motorsurgicaldiaries“ (Daniel ist im richtigen Leben Arzt in einer Krebs-Klinik im englischen Oxford) bekannt, auf dem er seine Reise dokumentierte.

Jens vom Brauck’s R nineT Scrambler
Am Stand von BMW Motorrad Italien treffen wir auf den Kölner Jens vom Brauck, der hier sein neuestes Werk erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Jens erklärt uns seine Arbeiten an der R nineT Scrambler, wie er seine Handschrift auch bei diesem Custombike gekonnt umgesetzt hat. Neben der typischen JvB-Lampenmaske, kurzem Heck, grob-stolligen Reifen mit Radverkleidungen ist besonders viel Energie in den Tank eingeflossen, der um einiges kürzer und schmaler ist „und das Bike somit auch für Leute in unserer Größe besser zu fahren ist“, wie er Daniel schmunzelnd erzählt.

„Sultans of Sprint“-Beschleunigungsrennen
Nach dem kurzen Intermezzo mit Jens und einem Rundgang auf der Händlermeile des Festivals besuchen wir den Streckenabschnitt des Rundkurses, auf dem das erste Rennen der ‘Sultans of Sprint’-Rennserie stattfindet. Neben der Formel-1-Strecke in Monza treffen sich die Bastler und Racer aus ganz Europa noch beim Café Racer Festival in Monthléry bei Paris, beim Biker’s Classics im belgischen Spa Francorchamps und Anfang September beim schwäbischen Glemseck 101. In verschiedenen Klassen treten die meist mit Turbolader, Kompressor oder per Lachgas-Einspritzung getunten Eigenbauten gegeneinander an, um sich auf der klassischen Achtelmeile zu messen. Punkte gibt es außer den Rennerfolgen auch in den Kategorien ‘Stil, Kreativität und Verrücktheit’.

Boxer-Power mit Stil.
Nicht nur bei der sagenumwobenen Rallye Paris-Dakar haben Fahrer wie Gaston Rahier, Hubert Auriol, Heribert Schek und Eddy Hau auf BMW Motorräder mit dem luftgekühlten Boxer-Motor zahlreiche Erfolge eingefahren, sondern auch bei den Sprintrennen und anderen Klassik-Veranstaltungen sind viele zwei-Ventiler-BMWs erfolgreich am Start. Das große Erbe, auf dem Motorsport-Fans in aller Welt aufbauen können, ist gewaltig. Denken wir nur an Ernst Henne, der bereits in den Dreißigerjahren mit demselben Motorenkonzept Geschwindigkeits-Weltrekorde in Serie aufstellte. Gestern wie heute sind die Motorräder mit den beiden liegenden Zylindern ein zeitloses Konzept.

Neues Bike, neues Glück
Für Daniel war der Kurztrip auf der R 80 G/S mehr als nur eine Ausfahrt in die Berge. Es hat ihm wieder das Gefühl gegeben, was Motorradfahren bedeuten kann. Es hat Erinnerungen wachgerüttelt, die er und Polly auf seiner Reise durch den amerikanischen Kontinent erlebte und er hat jede Menge neue Freunde gefunden. Und das nicht nur auf menschlicher Ebene. Vielleicht, so sagt er, machen sie ihre nächste Reise ja auf einer R nineT Urban G/S? Sie hat zumindest alle Voraussetzungen, um das Erbe seiner „Paris Dakar G/S“ anzutreten. Es fehlen nur die Paris Dakar Aufkleber und die Unterschrift Rahiers am Tank, dann ist die Urban G/S schon heute eine Legende.

 

Website: www.instagram.com/motorsurgicaldiaries

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