Maxwell Hazan, Downtown Los Angeles, USA

Hazan’s Turbo Loft

Mit seinem letzten Umbau, einer Ducati GT 860 mit Turbolader, beweist Max Hazan wieder aufs Neue, dass er einer der wenigen Customizern ist, deren Kreationen nicht nur optisch sondern auch technisch auf höchstem Niveau liegen.

In seinem früheren Leben arbeitete Hazan als Innenarchitekt und lernte als Kind sein Handwerkszeug von seinem Vater, einem renommierten Bootsbauer. Aufgewachsen ist er an der Ostküste der Vereinigten Staaten und bastelte eigentlich schon immer an seinen Motorrädern herum, zuerst an Enduros und Motocrossern und später an Straßenmaschinen, die er ständig optimierte. Dann baute er Motorräder seiner Freunde um und als ihn sein Vater eines Tages beim Mittagessen fragt, warum er nicht seine Festanstellung aufgibt, um sich ganz aufs Motorradbauen zu spezialisieren, legt dies seinen internen Blockadeschalter um. Gesagt getan, er mietet sich in der Nähe seines Apartments in Brooklyn eine fensterlose Werkstatt an und stürzt sich in das Abenteuer, endlich das tun zu können, was ihm wirklich Freude bereitet. Ein paar Jahre baut er von dort aus Bikes und entwickelt eine eigene Handschrift, bevor er ein Mädchen kennenlernt und mit ihr ins immer-sonnige Kalifornien übersiedelt.

Im Fashion-District von Downtown Los Angeles findet er im zweiten Stock eines alten Industriegebäudes einen zwar kleinen aber dafür hellen Raum, von dem aus er nun seinem Traumjob nachgehen kann. Zwar ist dies nicht mehr 9-to-5, wie er als Angestellter arbeitete, sondern viele Arbeitsstunden mehr, was für ihn aber eigentlich gar keine ‘Arbeit’ ist. Denn endlich kann er tun was er will, sich komplett auf seine Ideen und Kreativität stürzen. In der Mitte des Raumes stellt er einen großen Werktisch auf, rundherum sind die notwendigsten Maschinen und Werkzeuge platziert. Seine Projekte beginnen eigentlich immer auf die selbe Weise: nach wochenlanger gedanklicher Planung platziert er den jeweiligen Motor als Herzstück auf dem Tisch, klemmt Kartons zwischen einen Hilfsrahmen hinter den Motor, und skizziert, sozusagen in analoger 3-D-Manier, die künftige Rahmen- und Fahrwerksform. Danach wird um den Motor herum der Rahmen gebogen und geschweißt, die Fahrwerkselemente konstruiert. Mit Modellier-Schaumstoff formt er die Tank- und Sitzform, bevor diese schließlich gedengelt, getempert, gewalzt werden.

Hazan ist einer der wenigen Motorrad-Handwerker auf der Welt, die ein sehr ausgeprägtes Gespür für Ästhetik und Formsprache entwickelt haben, verschiedenste Materialien mit ihren spezifischen Aussehen kombinieren können und dabei ihrer Maxime – ein Motorrad muss stets fahrbar sein – dennoch treu bleiben. Bei seinen Kreationen finden geölte Palisanderholz-Sitze mit eingearbeiteten Inlays ebenso Verwendung wie transparente Acryl-Behälter, die als Öl-Tank dienen, wie er sie letztes Jahr der sagenhaften BSA 500 integriert hatte. Viele seiner Arbeiten lassen Steampunk-Anleihen erkennen, die aber nicht verspielt sondern klar und gut proportioniert in ihrer Formsprache sind. Ähnlichkeiten zu historischen Boardtrack Racern sind bei einigen seiner Werke auch nicht zu übersehen. Zu seiner Kundschaft zählen Sammler und Museen, die seine Arbeiten schätzen und hochdotiert in Auftrag geben. Custombikes auf diesem Level zu bauen, ähnelt dem Kunstmarkt – zumindest was aufgerufene Preise und den Handel damit anbelangt.

Denn mittlerweile gehen bei ihm bereits kurz nach Veröffentlichung erster Projektfotos auf Sozialen Medien wie Instagram und Facebook erste Kaufanfragen bei ihm ein, was ihm bei der Vorfinanzierung von Material und der unzähligen Arbeitsstunden natürlich sehr hilft, ohne Druck arbeiten zu können und sein Lebensunterhalt bestreiten zu können. Oder es gibt konkrete Auftragsarbeiten, die mit einer Idee und nötigem Kleingeld zu ihm kommen, wie zuletzt bei der Königswellen-Ducati. Ein junger englischer Sammler und Ducati-Lover, der schon die 900er mit Monster-Motor von ihm abkaufte, kam mit der Königswellen-Idee zu ihm. Eine quietsch-gelbe GT 860 wurde in LA ausfindig gemacht und diente als Spenderbike, wovon letztendlich aber nur der Motor verwendet wurde. Als dieser Gentleman bei einem der vielen Telefonate noch mit der Turbo-Idee ankam, war das Konzept schnell klar und wurde flugs ausgeführt, oder zumindest damit begonnen. Denn wie so oft liegt der Teufel im Detail und so wird der Bau der Turbo-GT zu einer etwas längeren Angelegenheit für Maxwell.

Drei mal muss Maxwell im Laufe der Arbeiten den Motor komplett auseinander nehmen, weil irgendwelche Schäden zu beheben, eine stärkere Kupplung oder besserer Zündfunken nötig wurden. Zwei unterschiedliche Turbolader kamen zum Einsatz, bis der Motor endlich so läuft, wie er sich das vorstellt. Ganz zu schweigen von den unzähligen Schwarzfahrten Sonntag morgens auf der Interstate 110, wo er an die 30 Bedüsungs-Kombinationen des Weber DCOE 40 Doppel-Vergasers in Kombination mit dem Garrett GT15 Turbolader testet. „Der Highway ist sonntagmorgens wenig befahren und ideal, um auch mal die Power des Aggregats richtig testen zu können“ meint der sympathische Maxl und fügt hinzu, dass die Strafzettelanzahl sich im Rahmen bewegt, da die kalifornische Polizei gern mal ein Auge zudrückt, wenn derartige Augenweiden ohne Licht und ohne Blinker an ihnen vorbeihuschen.

Nachdem er den Turbolader mit den vielen Zuführungsrohren formschön zwischen die beiden Zylinder platziert hat, geht es ans Fahrwerk. Der Chrom-Moly-Rahmen wird wieder, ganz in Maxwell’scher Tradition, um den Motor herum aufgebaut. Einen um ca. 5cm verkürzten Radstand im Vergleich zum Originalfahrwerk des fast 40 Jahre alten Basismodells und mit somit besserem Handling erreicht er mit einer Eigenbau-Rohr-Schwinge, dessen Federbein er unterhalb des Motors versteckt. Von einer alten Suzuki GSXR verwendet er die komplette Vordergabel samt Bremsanlage, Excel-Speichen-Felgen kommen vorne und hinten zum Einsatz. Das schräg abgeschnittene Auspuff-Rohr schmiegt sich unter den hohen Höcker, Armaturen werden irgendwo versteckt, Anzeigeuhren im Tank versenkt. Sogar die beiden Ausgleichsbehälter der nun hydraulischen Kupplung und der Bremsanlage versteckt er unter der oberen Gabelbrücke. Der Mann weiß, was Stil hat. Dies zeit sich auch in der Farbwahl (schwarz mit minimalem grünem metallic Effekt) und der dezenten goldenen Linierung, die ein japanischer Spezialist in der näheren Umgebung für ihn anfertigt. Der Sound des Motors in Kombination mit dem Turbo-Geräusch bei Gasgriffdrehung, das dem einer Flugzeug-Turbine gleicht, ist roh und wirkt in dem schwarz-goldenem Kleidchen wie bei einer puren Rennmaschine – was zum hohen Heck und der niedrigen Verkleidungsnase mehr als passt.

Bei der ersten öffentlichen Präsentation der Turbo-Ducati, kürzlich während der Hand-Built-Show in Austin, Texas, war das Interesse von Presse und Publikum enorm hoch – wie wohl zu erwarten war. Seine Motorräder setzten weniger Trends, mehr sind sie als Statements zu sehen, was im Motorradbau technisch und visuell möglich ist und mit welcher Detailverliebtheit dies angefertigt werden kann. Obwohl das Fahrzeug, ähnlich seiner früheren 900er mit Monster-Motor eher eine sportliche Rennmaschinen-Optik verfolgt, sind die Detaillösungen und deren handwerkliche Umsetzung in der Championsleague anzusehen. Hazan ist Künstler und Handwerker in einer Person, mit seinen Bikes mixt er gekonnt eine klassische und eher zurückhaltende Design-Sprache mit kreativen und modernen technischen Lösungen. Dies zeigt sich auch bereits in seinem aktuellen Werk auf dem Tisch, bei dem er einen wassergekühlten KTM-Einzylindermotor wieder mit einem Turbolader versieht und das Ganze in einen niedrigen Rahmen mit großen Oldtimer-Autoreifen steckt. Allein die aufwändige Vordergabel mit ihrer fragil erscheinenden Federung und die selbst gedrehten Radnaben, sind sehenswert. Es kommt eben auf mehrere Faktoren darauf an: Kreativ zu sein und es dabei auch noch handwerklich hochwertig und mit visuellem Verständnis umzusetzen. Das kann Hazan jedenfalls, der gelernte Innenarchitekt mit Bootsbauer-Daddy.

 

Technische Details:

Basis Ducati GT 860 (1978)
Vergaser Weber DCOE 40
Turbolader Garrett GT15
Zündung Elektronik Sachse
Räder 17“ Excel 3,5“ und 5,5“
Bereifung Michelin Power Slick 120/70 und 190/55

Photos and Words by Hermann Köpf

Website: www.hazanmotorworks.com

Facebook: www.facebook.com/HazanMotorworks

Instagram: www.instagram.com/maxwellhazan

 

 

 

 

 

 

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